
Vielleicht kennst du das:
Dein Mitarbeiter bricht vor dir in Tränen aus und du spürst, wie dich das körperlich trifft. Deine Mitarbeiterin ist richtig wütend und dieses starke Gefühl überträgt sich auch auf dich.
Zwei Ausprägungen der Empathie
Überall liest man, Führungskräfte sollen empathisch sein. Aber hier gilt es, eine wichtige Unterscheidung zu machen. Empathie hat zwei Ausprägungen:
- Kognitive Empathie und
- Affektive Empathie
Bist du eher kognitiv empathisch kannst du erkennen, was der andere fühlt. Du verstehst die Gefühle der anderen Person auf einer gedanklichen Ebene.
Bist du eher affektiv empathisch, dann schwingst du mit den Gefühlen des anderen mit, spürst die Traurigkeit des anderen auch in dir selbst, bekommst feuchte Augen, wenn die andere Person weint.
Kognitive Empathie ist eine wertvolle Sache – ob nun als Führungskraft oder einfach auch als Mensch. Wenn du dich in eine andere Person hineinversetzen kannst und verstehst, was sie bewegt und warum sie sich vielleicht komisch verhält, kannst du zugewandt bleiben. Dann entstehen viele Konflikte nicht, die deshalb entbrennen würden, weil sich dein Gegenüber unverstanden fühlt.
Affektive Empathie hingegen kann sich wie zusätzlicher emotionaler Ballast anfühlen. Menschen, die eher affektiv empathisch sind, neigen im Allgemeinen dazu, Gefühle sehr deutlich wahrzunehmen. Die eigenen, aber eben auch die, anderer Menschen. Das kann uns auf der einen Seite sehr stark miteinander verbinden. Das kann uns auf der anderen Seite aber auch sehr viel Energie rauben.
Ich selbst bin eher affektiv empathisch. Das habe ich bei der Hochzeit meines Cousins wieder gemerkt, als er bei seiner Rede voller Glück weinte und ich direkt mitweinen musste. Das merke ich im Kino, wenn im Film jemand stirbt und ich weinen muss, weil ich den Schwerz der Trauernden im Film fühle. Das merke ich aber eben auch, wenn ich Nachrichten schaue und das Leid vieler Menschen sehe oder wenn ich mich mit Menschen unterhalte, die viel meckern. Das kann richtig belastend sein.
Bist du auch eher affektiv empathisch und fragst dich, wie du besser damit klarkommst? Ich habe meine Gedanken dazu einmal zusammengetragen.
Wie Affektive Empathie nicht länger zur Last wird
Akzeptanz:
Es ist sehr befreiend, affektive Empathie nicht als etwas Negatives oder Peinliches einzustufen. Ich habe jahrelang gehadert damit und mich dafür geschämt, dass ich so viel weine. Inzwischen erkenne ich, dass mich diese Fähigkeit zu einem Menschen macht, dem andere Menschen vertrauen, dem sich andere Menschen öffnen, der nahbar wirkt. Und: Du fühlst ja auch die „guten“ Gefühle deines Gegenübers mit. Und das ist wirklich schön.
Kognitive Empathie und Achtsamkeit üben
Es ist hilfreich, sich bewusst zu machen: „Das ist sein/ihr Gefühl, nicht meins.“ Schon diese kleine mentale Abgrenzung kann Entlastung schaffen.
Übe ganz bewusst, die Situation zu verstehen, statt nur mitzuschwingen.
Frage dich: „Warum fühlt die Person so? Was steckt dahinter?“ Das bringt Distanz und Klarheit.
Statt beispielsweise in der Traurigkeit anderer hängen zu bleiben, überlege dir einmal:
„Wie kann ich unterstützen, ohne selbst in den Strudel zu geraten?“
Aus Empathie wird so Mitgefühl mit Handlung. Das schützt dich und hilft gleichzeitig deinem Gegenüber.
Wenn dich die Gefühle anderer dennoch überrollen, atme mehrmals tief durch, schließe die Augen und konzentriere sich auf deine Füße auf dem Boden. So richtest du den Fokus kurz auf dich und das hilft, im eigenen Körper präsent zu bleiben.
Selbstfürsorge ist das Zauberwort für dich. Schaffe dir Ausgleich durch Ruhe, Natur, Bewegung oder kreative Aktivitäten. Schau einmal, was dir guttut und Energie gibt. Und dann mach mehr davon.
Grenzen setzen:
Es ist wichtig, dass du klare Grenzen setzt. Wenn du dich mit Menschen umgibst, die viel schimpfen und motzen und meckern und du fühlst dich nach den Begegnungen immer schlechter als vorher, dann ist es Zeit zu hinterfragen, ob diese Begegnungen nicht anders ablaufen können.
„Ich verstehe, dass du es gerade nicht leicht hast. Und gleichzeitig möchte ich heute einen angenehmen Nachmittag mit dir verbringen. Wie wäre es, wenn wir das Negative jetzt einmal gemeinsam abschütteln und uns dann beide darüber freuen, dass wir beisammen sind?“
Natürlich kommt es immer auf die Art der Beziehung an. Im Arbeitskontext kann sich das noch schwieriger anfühlen als mit einer Freundin.
„Ich verstehe wirklich, dass dich das ärgert. Und gleichzeitig brauche ich jetzt gerade eine erholsame Pause. Ich möchte die Mittagspause gern mit dir verbringen und schlage vor, dass wir kurz gemeinsam durchatmen und dann das Thema wechseln.“
„Ich möchte mit dir nicht mehr über XY sprechen. Das belastet mich sehr und ich merke, dass das unsere gute Zusammenarbeit gefährdet. Können wir dieses Thema bitte zukünftig vermeiden?“
Loslassen:
Vermeide, was dir zu viel Energie raubt. Diesen Ausweg hast du immer. Ob es sich um bestimmte Personen handelt, denen du mehr und mehr aus dem Weg gehen kannst oder um die Nachrichten, die dir zusetzen. Ich schaue beispielsweise keine Nachrichten mehr und lese auch keine Zeitung, weil mich das zu sehr belastet und vor allem auch hilflos zurücklässt. Das heißt nicht, dass ich mich vor dem Elend der Welt verstecke und so tue, als wäre alles rosarot.
Ich setze meinen Fokus anders. Denn bei all dem was Schlimmes passiert, von dem ich durchaus etwas mitbekomme, passiert ja auch immer viel Gutes, über das aber eben nicht berichtet wird. Deshalb mag ich Initiativen, die „Good News“ in die Welt bringen:
https://goodnews-magazin.de/ oder https://goodnews.eu
Vorteile der Affektiven Empathie
Beide Arten der Empathie haben ihre Vor- und Nachteile und können auch im jeweiligen Kontext unterschiedlich wertvoll sein.
Da ich selbst eher affektiv empathisch bin und mich zu Beginn des Artikels mit der dadurch möglicherweise entstehenden Belastung befasst habe, möchte ich unbedingt auch die Vorteile nennen:
Durch das Mitfühlen entsteht Nähe, Vertrauen und ein Gefühl von Verbundenheit. Beziehungen (Freundschaften, Partnerschaften, Familie) werden stabiler und erfüllender. Du bist eher bereit zu helfen, Rücksicht zu nehmen oder Unterstützung anzubieten und kannst feinfühliger auf Bedürfnisse reagieren. Besonders in der Pflege, Therapie, Pädagogik oder Elternschaft ist affektive Empathie wichtig, um authentisch Zuwendung zu geben.
Auch Konflikte lassen sich leichter entschärfen, weil man die Verletzung oder Sorge des Gegenübers spürt.
Und: Mitempfinden kann das eigene Gefühl von Sinn, Zugehörigkeit und Zufriedenheit steigern. Viele Menschen erleben dadurch eine stärkere Lebenszufriedenheit.
Fazit:
Lass dir nicht einreden, dass du zu gefühlsduselig bist. Affektive Empathie kann zwar für dich selbst anstrengend werden, aber sie ist nichts, wofür du dich schämen müsstest.
Affektive Empathie befähigt dich, echte zwischenmenschliche Wärme zu spüren und Mitmenschlichkeit im Alltag zu leben. Und das ist doch ganz wundervoll, oder?
Führungskräfte und Empathie
Welche Ausprägung der Empathie ist für eine Führungskraft besser?
So eindeutig ist das nicht zu beantworten, aber ChatGPT hat mir geholfen, eine differenzierte Sicht zu bekommen.
Übrigens: Niemand ist ausschließlich affektiv oder kognitiv empathisch. Beide Formen sind Fähigkeiten, die man üben und situativ einsetzen kann.
Affektive Empathie in der Führung
Vorteile:
Affektive Empathie hilft, die Gefühle der Mitarbeitenden wirklich zu spüren, z. B. Stress, Frustration oder Freude. Sie fördert Vertrauen, emotionale Bindung und ein „Wir-Gefühl“ im Team. Besonders nützlich ist das in Krisen oder bei persönlichen Problemen der Mitarbeitenden.
Risiken:
Affektive Empathie kann emotional überlasten (Burnout-Risiko), wenn die Führungskraft die Gefühle anderer zu stark mitempfindet. Sie kann zudem zu subjektiven Entscheidungen führen, wenn Gefühle wichtiger werden als rationale Kriterien.
Kognitive Empathie in der Führung
Vorteile:
Kognitive Empathie erlaubt, die Perspektive anderer zu verstehen, ohne dass man emotional mitgerissen wird. Sie hilft bei Konfliktmanagement, Verhandlungen und strategischen Entscheidungen und unterstützt rationale, faire Entscheidungen, da die emotionale Beteiligung kontrolliert wird.
Risiken:
Kognitive Empathie kann distanziert oder „kalt“ wirken, wenn das Team spürt, dass die Führungskraft nur analytisch agiert. Ohne affektive Empathie fehlt oft die emotionale Verbindung zum Team.
Fazit:
Affektive Empathie → stärkt Beziehung, Vertrauen, Motivation und emotionale Bindung.
Kognitive Empathie → ermöglicht Verständnis, Objektivität, Konfliktlösung und rationale Entscheidungen.
Eine gute Führungskraft kombiniert beide:
Kognitive Empathie, um zu verstehen und rationale Entscheidungen zu treffen.
Affektive Empathie, um das Team emotional zu unterstützen und Vertrauen aufzubauen.
ChatGPT hat mir dazu diesen Empathie-Fahrplan ausgespuckt:
Empathie-Fahrplan für Meetings und Gespräche
Schritt | Aktion | Fokus | Kurzer Merksatz |
1. Zuhören | Aktiv zuhören, Blickkontakt, Körpersprache beachten | Kognitive Empathie | „Verstehen, bevor ich reagiere“ |
2. Gefühle erkennen | Emotionen wahrnehmen und innerlich benennen | Affektive Empathie | „Spüren, was sie fühlen“ |
3. Perspektive reflektieren | Hintergründe, Bedürfnisse, Motive erkennen | Kognitive Empathie | „Warum fühlt / denkt sie so?“ |
4. Resonanz zeigen | Gefühle anerkennen, Mitgefühl ausdrücken | Affektive Empathie | „Ich sehe dich – ich verstehe dich“ |
5. Lösungen / Handlung | Vorschläge unter Berücksichtigung von Emotion + Perspektive | Kombination | „Gemeinsam nach vorne“ |
6. Nachbesinnung | Kurz reflektieren: War die Balance zwischen Verstehen & Fühlen richtig? | Kombination | „Was kann ich besser machen?“ |
Und nun heißt es üben, üben, üben
Empathie ist wie ein Muskel:
Kognitive Empathie kann durch Reflexion, Perspektivübungen und Feedback trainiert werden.
Affektive Empathie kann durch achtsames Wahrnehmen, aktives Zuhören und Mitgefühl gestärkt werden.

Mit der Zeit können wir lernen, flexibel zwischen beiden Modi zu wechseln – je nach Situation. Ich übe mich darin noch, und du?
Welche Erfahrungen hast du mit Empathie bereits gemacht? Schreib gern deine Geschichte oder Tipps in die Kommentare.
Klar sprechen. Wirksam führen. Zusammenarbeit stärken.
Ich bin Sandra. Als Kommunikationstrainerin und Rhetorikcoach unterstütze ich Teams, die täglich viel miteinander sprechen, abstimmen und entscheiden müssen – sei es im Büro, in Kliniken oder in sozialen Einrichtungen. Für ein aufrichtiges Miteinander und gute Ergebnisse.
In deinem Team wird entweder geschwiegen oder immer nur hinterm Rücken gemeckert, aber nichts geht voran? Lass uns das gemeinsam ändern, denn so wie es jetzt ist, nervt es doch alle Beteiligten.
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